Gab es „Google“ schon vor dem Internet?
Forscher forschen gerne in der Vergangenheit und finden des Öfteren Parallelen zur Gegenwart. Ein Forscher spezialisierte sich auf Suchmaschinen und fand die Antwort auf die Frage: Sucher gab es schon in grauer Vorzeit, lange bevor es das Internet gab. Die antike Art der Suchmaschinen hat mit der weltgrößten Suchmaschine Google etwas gemeinsam: Anonymität des Suchenden gab es nicht und gibt es auch heute nicht.
Leibniz
Inhaltsverzeichnis
Wer von Leibniz spricht, denkt in erster Linie an die schmackhaften Butterkekse und im zweiten Anlauf an einen Wissenschaftspreis. Das ist nicht alles, denn Gottfried Wilhelm Leibniz könnte als Namensgeber für Suchmaschinen wie Yahoo, Google und Co. wirken. Bereits 1675 gab es Ideen über „Suchmaschinen“, die Anton Tantner in seinem Buch „Die ersten Suchmaschinen“ niederschrieb. Leibniz verstand damals schon eine Menge über verschiedene Arten der Suche und stellte Überlegungen über seinen Betrieb in diesem Sinne an. Wer im ganzen Land den Menschen vermittelt, was zu kaufen oder verkaufen sowie zu lehnen, zu vermieten ist, der erfährt, was die Leute brauchen. Seine Idee von einer Suchmaschine setzte Leibniz 1713 um.
Die Idee
Die Idee, dass eine Einrichtung notwendig ist, die als eine Art „Notizamte“, fungiert und Leuten, „die einander nötig haben, voneinander Kundschaft bekommen können“. Bereits vor dem Besuch des Notizamtes muss ein Verkäufer die Garantie haben, auf seinem Weg ausschließlich potenzielle Kunden zu kontaktieren. Konkret bedeutet dies, dass zwei zueinanderpassende Personen oder Betriebe beim Notizamt individuelle Notizen erhalten, damit beide Parteien aufeinandertreffen. Man könnte jetzt sagen, dass die Überlegungen zum Notizamt von Leibnitz auf geistiger Basis die reale Grundlage für die heutigen Suchmaschinen wie Google und Co. waren.
Anton Tanter
Es stellt sich die Frage, ob es rechtlich und moralisch überhaupt zulässig ist, Unternehmen auf Ideen aus dem Jahr 1713 auf moderne Unternehmen zu übertragen? Anton Tantner, ein Historiker und Kommunikationswissenschaftler aus Wien spricht von „kontrolliertem Anachronismus“, wenn er von Suchmaschinen spricht und die Modalitäten vom 16. bis 18. Jahrhundert auf die heutige Zeit überträgt. Das 16. bis 17. Jahrhundert beschreibt eine Epoche, die einen Wandel der Informationsbedürfnisse und deren Befriedigung bedingt durch die Erfindung des Buchdrucks erfuhr. Vom Humanismus bis zur Aufklärung ist es ein weiter Weg, bei dem der Buchdruck und die industrielle Revolution eine größer werdende Menschenmenge und ihre Informationsbedürfnisse, bedienten und abgewickelten.
Was ist die Google-Archäologie?
Die Konzeption von Tantner über die altertümlichen Vorreiter von Google beschreibt der Autor mit der dem Wiener eignen charmanten Art. Mit seinem nicht zeitgemäßen Leitgedanken über Suchmaschinen hat der Autor ein Forschungsfeld gefunden, das er Google-Archäologie nennt. Seine Frage, wie Google funktionierte, bevor es die Suchmaschine Googeln gab. Auch die Gedanken und Wünsche, die vor mehreren Jahrhunderten von Leibniz angestellt wurden, versuchte der Autor bildlich darzustellen.
Techniken
Personen und Techniken sowie Institutionen, mit denen sich unsere noch nicht digitalisierten Vorfahren auseinandersetzen mussten, um Informationen zu „speichern“ und „abzufragen“, ist der Hauptbestandteil der überaus interessanten Geschichte von Anton Tantner. Der Autor geht davon aus, dass vom 16. bis 18. Jahrhundert die Vorläufer von Branchenverzeichnissen, Banken, Telefonauskunft, Reisebüros und Mitfahrzentralen sowie der später entstandenen Zeitungen und Online-Portale sogenannte Adressbüros waren. In Bezug auf die räumliche Aufteilung entsprachen sie den oben genannten Vorläufern. Der Autor ist der Meinung, dass es dabei um Räumlichkeiten und Medien für die Vermittlung von Informationen handelte, die für die Anbahnung von Geschäften dienten und daneben fremden Leuten die Möglichkeit boten, voneinander Notiz zu.
Gab es schon in den 1700er Jahren Algorithmen und Cookies?
Mit dieser Frage begeben wir uns in die Vergangenheit und zu Leibniz. Er hatte die Idee von einem Notizamt, bei der Menschen nicht nur finden, was sie suchen, sondern auch Gelegenheit bietet, etwas zu suchen und verlangen, an das er zuvor nicht dachte. Diese Vorschau spiegelt Spürsinn und Fügung in der Berechnung der Welt wider. Was damals für Leibniz die Metaphysik gewesen sein könnte, regelt heute das Internet mit Cookies und Algorithmen.
Konzept
Bisher haben wir uns auf Leibniz und seine Ideen beschränkt, dabei war er nicht der Erste, der ein analoges Konzept für Input und Output, den informationsverarbeitenden Beziehungen erstellte. Tantner beschreibt in diesem Fall eine Szene in einem Adressbüro um 1580 im Büro von i Montaigne. Montaigne schrieb in seinen Aufzeichnungen, dass er sich eine Stelle wünscht, die für alle da, die etwas brauchen. Er setzt in seinen Gedanken einen extra für diesen Zweck eingesetzten Beamten ein, bei dem sich die Suchenden registrieren lassen sollten. Dieser Beamte hält beispielsweise Ausschau nach einer Reisebegleitung für eine Dame oder einen Herrn, nach einem Diener oder einem Dienstherrn. Er sucht für jeden die passende Person oder das gewünschte Produkt.
Suchportale
Bezieht man dies auf die heutige Zeit, dachte schon Montaigne an die heutigen Job-, Mitreise- und Suchportale. Vielleicht hat die gesamte Menschheit seit Montaigne auf nichts anderes gewartet, als auf eine algorithmenbasierte Zentrale, die Suchanfragen und Anbieter zusammenbringt. Viele Jahrhunderte vor Google und Co. gab es in vielen Städten rund um den Globus Büros, die als Anlaufstelle für Suchende dienten. In diesen Anlaufstellen wurden die Informationen und deren Umgang gemanagt. Google hingegeben wickelt erst heute international etwa 90 Prozent der Suchanfragen ab. Anton Tantner betonte, dass es sich bei den damaligen Anlaufstellen und solche handelte, die in der Regel von Privatpersonen organisiert wurden (dies zur Information für Europäischen Union, die seit Jahren ein Konzept für eine Art europäischer, halbstaatlicher Suchmaschine vorbereitet). Diese Büros erhielten ausdrucksvolle Bezeichnungen wie „Adresshaus“, „Notizbüro“ oder „Frag- und Kundschaftsamt“ und „Intelligenzwerk“ oder.
Google ergänzt die Frage „wie macht man…?“
Frage an die Suchmaschine
Kaum geben User die Frage „wie macht man …“ ein, ergänzt die Suchmaschine Google diese mit automatischen Ergänzungen. Die Suchmaschinenentwickler von Google sind immer wieder von den Eingaben der User begeistert. Kaum geben diese ihre Frage ein, ergänzt Google den Suchbefehl beispielsweise mit „Knutschfleck“ oder „Zuckerguss“. Andere User geben wirklich Fragen über die Tastatur ein, was Tantner in seinem nur unterstreichen kann. Der Autor listet in einer leicht bekömmlichen Schreibweise Beispiele für die Funktionierung der analogen Informationsverarbeitung auf und nennt dabei Beispiele aus London und Paris. Auch Orte aus der Habsburger Dynastie wie Wien, Prag oder Bratislava hatten bereits zu ihrer Zeit eine funktionierende Informationsverarbeitung, lange bevor es das Internet gab.
Wissen
Im Gegensatz zu seinem Mentor Peter Burke, dessen Werke ebenfalls Wagenbach verlegt, schrieb Anton Tantner keine Geschichte über das Wissen. Für ihn stand die praktische Information im Fokus. Sein Interesse bezog sich auf die Infrastruktur in Bezug auf eine Vermittlung, die schnell und auf den Bedarf bezogen funktionierte. Die organisierten Informationsbörsen, welche sich in Frag- und Kundschaftsämtern befanden, waren nur den alltäglichen, lebenspraktischen Dingen verpflichtet. Politische Informationen waren für sie nicht von Belang. Für diese Nachrichten steht die um 1800 erfolgte Entwicklung von Zeitungen. Viele Informationen, wie beispielsweise „Suche Hilfe im Haushalt“ oder „Biete Nachhilfe“ sind lediglich für diejenigen interessant, die solche Dinge brauchen. Für diejenigen, welche sie nicht brauchen, sind sie nur „Sperrmüll“. Diesen Namen wählte ein Anzeigenblatt, das genau solche Anzeigen veröffentlicht und bis heute seinen Namen „Sperrmüll“ nicht abgelegt hat. Diese Zeitung befasst sich nicht mit Nachrichten, sondern ausschließlich auf Anzeigen, in denen Leute etwas suchen oder etwas finden. Diese Zeitung besteht nur aus dem Inseratenteil, der in den vergangenen zwanzig Jahren das Internet übernahm. Ein Inseratenteil, der im 19. Jahrhundert als „Generalanzeiger“ seinen historischen Aufschwung hatte.
Immer aktuell
Über die Jahrhunderte haben sich verschiedene Begleitdiskurse wie Leistungen und Fehlleistungen von Google und Co. nicht verändert. Der deutliche Episodenführer von Anton Tantner, der uns die analoge Informationsvermittlung der der Vergangenheit vor Augen führt, zeigt, dass der Informationsaustausch in Adressbüros praktiziert wurde. Schon zu damaliger Zeit changierten sich die Pole Privat und Kontrolle; Dinge, die heute so manche Debatte prägen. Die Adressbüros boten ihren Kunden Gelegenheit, ihre Informationsgeschäfte mit der notwendigen Diskretion zu behandeln. Auf der anderen Seite weckten bei den Obrigkeiten Begehrlichkeiten für die Anliegen der registrierten Personen. Bereits die Konzeption von Leibniz für das Notizamt gab es das Stichwort „Polizei“. Sieht man sich diesen Hintergrund an, ist das Buch von Anton Tantner keine Kulturgeschichte des analogen und digitalen Informationsaustausches, sondern ein brandaktuelles Buch.
Quelle:
Die Welt
Dirk Schiff ist Head of SEO bei der AnalyticaA GmbH, Master (MBA) im Bereich Digital Business mit Schwerpunkt Search Engine (SEO und (SEA), Journalist (FJS) und Online Marketing Experte. Er optimiert seit über 18 Jahren Internetseiten. Er leitete bei stellenanzeigen.de den SEO-Bereich Inhouse, sowie für 40 Verlagsportale.