Facebook keilt um Kleinanzeigen

Die Technologie hat Facebook, um mit lokalen Werbemaßnahmen den milliardenschweren Markt zu erobern, was bereits im deutschen Mittelstand gut funktioniert. Doch Google ist noch lange nicht KO.

Erfrischend ist es, wenn Sheryl Sandberg darüber spricht, wie ihre Strategie beim Werbemarkt aussehen soll. Sie spricht nicht wie eine Topmanagerin, sondern wie jemand, der den kleinen Betrieb, den Mittelstand, aber auch die großen Konzerne im Bereich Werbung versteht. So könnte auch ein Präsident der lokalen Handwerkskammer sein Statement abgeben.

Für Sheryl Sandberg, die die Nummer zwei bei Facebook ist, geht es um die Läden um die Ecke, sei es ein Blumenladen oder eine Textilreinigung. Eine Referenz ist das Trachtengeschäft Angermaier aus München, das durch seine Werbung bei Facebook eine Umsatzsteigerung von 20 % erzielt hat. Laut Sandberg ist es das, was als Motor der Wirtschaft dient. Die Welt müsse in kleinen Einheiten gesehen werden, nur so kann man mit Werbung Milliarden machen. Dabei muss er nicht nur bis zum deutschen Mittelstand herabsteigen, sondern noch tiefer gehen.

Zu Beginn des Jahres wurde in München eine Charmeoffensive von Sandberg gestartet. So will Facebook 50.000 westeuropäischen Kleinunternehmen auf Facebook Werbung im Wert von je 100 Euro schenken. Das Unternehmen verspricht, dass die Unternehmen so preisgünstig wie nie zuvor ihre potenziellen Kunden erreichen, weil sie diese im sozialen Netzwerk im Heimatort ansprechen können. Den zukünftigen Anlegern bei Facebook wurde signalisiert, dass Facebook als Werbekunden Tausende Mittelständler gewinnen kann und damit zur wichtigsten Plattform im Bereich der lokalen Werbung im europäischen Raum werden kann.

Dieser Schatz wurde von Facebook noch nicht geborgen. Akribisch sammelt das US-Unternehmen ortsbezogene Daten seiner Mitglieder wie kaum ein zweites Unternehmen. Facebook weiß, wo das Mitglied wohnt, wo es sich gerade befindet und was es vor zwei Wochen gemacht hat. Die Technologie für eine veränderte Werbewelt hat Facebook. Damit könnten Unternehmen in Zukunft viel Geld sparen für TV-Werbung und Anzeigen und trotzdem mehr Konsumenten erreichen – Konsumenten, über die sie, bis auf einige Marktforschungsdaten, keine Informationen haben. So wäre es durchaus möglich, dass ein Straßencafé über die Facebook-Werbung den mobilen Nutzer, der sich in der Nähe befindet, zu sich ins Café lockt. Zielgenau könnten die Bürger eines Stadtviertels von dem dort ansässigen Handelskonzern angesprochen und in seine gelockt werden. Bislang ist dieses Milliardengeschäft noch reine Theorie.

Der Geschäftsführer der Mediaagentur OMG 4 CE, Christian Zimmer, ist davon nicht überzeugt, denn bislang konnte Facebook keinen Nachweis erbringen, dass der Verkauf durch seine Werbung gefördert wurde. Zimmer berät Unternehmen in der Hinsicht, wo bzw. auf welcher Plattform sie ihre Werbung schalten sollen. Bisher gibt es geraden einmal um Social Media einen richtigen Hype. Doch am Abend müssen die getätigten Investitionen Erfolge bringen oder sich rechtfertigen.

Noch sind die Unternehmen nicht überzeugt davon, dass durch lokale Werbung ihre Werbemillionen auf Facebook effizient investiert werden würden. Im Jahre 2010, so eine Studie der Citigroup, flossen von den insgesamt 12 Milliarden Dollar, die in den USA von Unternehmen für die lokale Onlinewerbung ausgegeben wurden, lediglich vier Prozent in Social-Media-Plattformen, zu denen auch Facebook gehört. Etwas 32 % des Budgets für die lokale Werbung gingen an die Plattformen, die für Rubrikanzeigen stehen. Gut 6 Milliarden Dollar oder 49 %, wurden bei den Suchmaschinenbetreibern, meist bei Google, ausgegeben.

Auf diesem Milliardenmarkt hinkt Facebook kräftig hinterher. Die ortsbezogene Werbung liegt mit dem größten Potenzial bei den mobilen Anwendungen. So könnte Werbung auf Smartphones durchaus effektiv sein, wenn die Werbung dem aktuellen Standort des Nutzers immer wieder angepasst wird bzw. werden kann.

Von den Chancen der mobilen Werbung ist im Börsenprospekt von Facebook nichts zu lesen, dafür jedoch eine Warnung. Diese besagt, dass das Wachstum auf mobilen Geräten bei der Facebook-Nutzung, wo bisher keine Anzeigen dargestellt werden negative Auswirkungen auf den Umsatz und das Ergebnis von Facebook haben könnten.

Bis diese Warnung gelesen wird, ist die Konkurrenz schon viel weiter. So sieht Agenturchef Zimmer, bei Google einen strategischen Vorteil bei der lokalen Werbung. Dieser Vorteil liegt daran, dass hier ein anderes Nutzungsverhalten gegeben ist. Während Facebook bei seiner lokalen Werbung darauf abzielt, seine Nutzer für die Produkte bzw. Dienstleistungen zu begeister, die aus der Umgebung sind, hat Facebook den Nachteil, dass das Unternehmen nicht weiß, was der Nutzer eigentlich will. Damit besteht die Gefahr, dass Nutzer schnell mit Unmengen von Werbung bombardiert werden und sich somit belästigt fühlen. Das sei bei Google anders, so Zimmer, weil hier der Nutzer selbst aktiv die Suche nach einer Problemlösung tätigt, sei es vor Ort oder weiter entfernt. Von Google bekommt der Nutzer individuelle die Angebote präsentiert, nach denen er gesucht hat.

Damit dieser Wettbewerbsnachteil wettgemacht werden kann, arbeitet Facebook mit Hochdruck an Lösungen. Spektakulär war eine angebliche Lösung, die eine Kooperation mit Wal-Mart, einer US-Supermarktkette, im vergangenen Oktober eingegangen werden sollte. Da Wall-Mart auch der weltgrößte Einzelhändler ist, will sich die Kette im Kampf gegen die Onlineshops mit Facebook einen Vorteil verschaffen. Durch die Kooperation mit Facebook sollen die Kunden wieder den persönlicheren Kontakt zu ihrer Filiale suchen, so der Wal-Mart-Marketingchef Stephen Quinn. Durch die Interaktion mit den Kunden würden die Läden vor Ort durch wieder relevanter werden. Jetzt werden die neun Millionen Mitglieder von Facebook, die als Facebook-Fans von Wal-Mart registriert sind über die Angebote und Aktionen ihrer Wal-Mart-Filiale informiert. Ist diese Werbemaßnahme von Erfolg gekrönt und der US-Riese kann durch die Facebook-Offensive seinen Umsatz drastisch steigern, dann wären Auswirkungen auf die aktuelle Werbewirtschaft zu erwarten. Wal-Mart zählt mit einem Werbeetat von mehr als zwei Milliarden Dollar jährlich in den USA zu den zahlungskräftigsten Werbetreibenden, von dem viele Fernsehstationen und Zeitungen abhängig sind.

Wer jetzt denkt, dass die traditionellen Medien aufgrund solcher offensiver Maßnahmen erzittern, der irrt. Gelassenheit ist in der Branche immer noch reichlich vorhanden. Der Geschäftsführer von OMS, Matthias Wahl, einem Onlinevermarkter, glaubt, dass die Gelder für die Werbung über Facebook in anderen Töpfen gebunkert werden und mit den Werbebudgets für die traditionelle Werbung nichts zu tun haben. Das Geld, das bisher für die Direktwerbung, wie z. B. Postwurfwendungen, verwendet wurde, wird heute für die Werbung bei Facebook verwendet. Die medialen Kampagnen sind auch in absehbarer Zeit von Facebook nicht zu ersetzen, meinst Wahl. Die Werbung über Facebook funktioniert doch nur bei den Marken, über die bei Facebook geredet wird.

 

Facebook Werbemaßnahmen

 

Jeder, der bekannte Konzerne für seine Werbemaßnahmen gewinnen will, muss zuerst die Mediaagenturen überzeugen, die die Konzerne beraten. Diese Agenturen sind sehr mächtig und planen für die Unternehmen, welche Werbung wo und wie lange geschaltet wird. Der Nachteil von Facebook ist der, dass diese Agenturen alles andere als überzeugt sind, wenn es um eine Zusammenarbeit mit Facebook geht. Marc Nabinger, Chef der Agentur Xenion Isobar sieht das so „Man hat das Gefühl, dass nicht optimal gehandelt wird, um die Werbewirtschaft zufriedenzustellen“. Die Agentur Xenion Isobar ist auf digitale Werbeplanung spezialisiert. Anders als bei anderen großen Onlineunternehmen sei bei Facebook die Personaldecke schmal und eine optimale Kommunikationspolitik nicht möglich. Nabinger ist von Google überzeugt, denn Google würde alles machen, damit der Abverkauf gesteigert wird. Die Betreuung der Kunden lässt bei Facebook sehr zu wünschen übrig. Zwischen Google und Facebook würden Welten liegen.

Sheryl Sandberg, die früher bei Google angestellt war, bekräftigt, dass gerade deshalb für Facebook Google ein Vorbild sei. Die in München gestartete Charmeoffensive von Facebook für den Mittelstand hat einen Beigeschmack, denn es ist eine Kopie (1:1) von der Google-Adwords-Kampagne des vergangenen Jahres, in der an Mittelständler Gutscheine im Wert von 100 Euro verschenkt wurden.